Vortrag am 14. Februar 2012 von Dr. Binner in den ZeitRäumen war ein voller Erfolg.
In der Braunschweiger Zeitung kann man folgendes über den Vortrag lesen:
„Sie waren hier um zu arbeiten und zu essen, sonst nichts“
Bodenstedt
Der Historiker Jens Binner klärte im Bodenstedter Museum „ZeitRäume“ über Zwangsarbeiter im Landkreis Peine auf.
Von Udo Starke
Auch in Peine und im Landkreis war nach Kriegsbeginn (1939) der Umgang mit Zwangs- und Fremdarbeitern klar strukturiert. Vor allem wurde mit dem Thema nicht hinter der Hand gehalten, Zwangsarbeit fand öffentlich statt. Das machte Jens Binner vom Kreisheimatbund am Wochenende mit seinem Referat über Zwangsarbeiter in dem Bodenstedter Museum „ZeitRäume“ deutlich.
„Die „Arbeitsstätten“ der fremden Kräfte waren über das gesamte Stadtgebiet, aber auch im Landkreis, wie in Bodenstedt, verteilt, zum Teil in separaten, extra zu diesem Zweck errichteten Barackenlagern, aber auch im privaten Bereich. Entläusungsanlagen lagen weiter entfernt“, erklärte Binner vor rund 40 interessierten Zuhörern.
Der Arbeitseinsatz in industriellen Großbetrieben oder in der Rüstungsproduktion sei für die Arbeiter und Häftlinge oft wesentlich härter und unmenschlicher als bei manchem Peiner Kleinbetrieb oder im Einsatz bei der Landbevölkerung gewesen. „Sie waren aber unabdingbar, um die nötigen Arbeiten zu bewältigen“, sagte Binner. Auch die Hofstelle in Bodenstedt sei eine zentrale Stelle gewesen.
Der Landkreis Peine sei Binner zufolge ein gutes und geeignetes Gebiet zur Untersuchung der Thematik. Denn es gab Schwerindustrie ebenso wie Bergbau. Allerdings gebe es keine wissenschaftlich genügenden Unterlagen der Hütte. „Es gibt Forschungslücken bezüglich der Ilseder Hütte zur Zeit des Nationalsozialismus“, erklärte er.
So berichtete Binner, Eddesse sei damals international gewesen. „Es herrschte ein vielschichtiges Sprachgewirr durch rund 70 Zwangsarbeiter“, verdeutlichte der Referent. Er sei davon überzeugt, dass in vielen Kellern noch Chroniken schlummerten, die nähere Auskünfte geben könnten. Der allgemeine Tenor lautete einst: „Sie waren hier, um zu arbeiten und zu essen, sonst nichts.“
Mit seinen Ausführungen wollte Jens Binner nach eigenen Worten Perspektiven aufzeigen und erweitern, wer in welchen Dörfern eine Rolle gespielt hat und wie der Nationalsozialismus bis zur untersten Ebene funktionieren konnte.
Jens Binner (links) referierte vor 40 Zuhörern über Zwangsarbeiter in Bodenstedt.
Foto unten: Udo Starke
20.02.2012 10:00 Uhr berichtet auch die PAZ
Bodenstedt
„Wir geben den Menschen ein Gesicht“
Historische Fahndungsblätter, Dorfchroniken, Lazarettakten – durch all das hat sich der Historiker Dr. Jens Binner gearbeitet, um das Thema „Zwangsarbeit im Landkreis Peine während des Zweiten Weltkrieges“ zu durchleuchten. Freitagabend hat er seine Ergebnisse in einem Vortrag in den ZeitRäumen der Hofstelle in Bodenstedt präsentiert.
Bodenstedt. „Ich bringe Dokumente zum Sprechen“, sagt Binner, der zweiter Vorsitzender des Kreisheimatbundes Peine ist. Aus welchen Ländern kamen die Zwangsarbeiter? Wie verlief ihr Weg in den Landkreis Peine? Wie ist es ihnen hier ergangen? Antworten auf diese Fragen hat Binner in historischen Aufzeichnungen gefunden.
Akribisch und respektvoll hat der Historiker unter anderem alte Peiner Ortschroniken durchsucht. „Sie sind besonders wichtig, da sie eine weite Verbreitung finden“, so Binner. „Allerdings kommen darin häufig nur deutsche Zeitzeugen zu Wort.“
Gearbeitet haben die Zwangsarbeiter oft in der Landwirtschaft, aber vor allem auch in der Schwerindustrie und im Bergbau. So beschäftige die Ilseder Hütte Zwangsarbeiter, ebenso wie das Peiner Walzwerk. Dokumente dazu hat Binner unter anderem von Udo Meier, Betriebsratsvorsitzender der Peiner Träger, erhalten, der etwa einen alten Lageplan zur Unterbringung der Zwangsarbeiter vor der Vernichtung bewahrt hat. „Auch die Ilseder Hütte müsste mehr die Aufklärung fördern“, sagte Binner.
Auch alte Zeitungen hat Binner in seine Arbeit einbezogen. „Sie haben die Zeit allerdings stark propagandistisch begleitet“, so Binner. Zudem fände man häufig Berichte zu den Verordnungen der Polizei, die in gemeinsamen Treffen der Zwangsarbeiter im Park oder etwa in einer Karussellfahrt auf dem Schützenfest ein „anmaßendes Verhalten“ sah.
Auch im Schriftgut der Verwaltung und in Kriegschroniken, die jedes Dorf fertigen musste, sowie aus Personalkarten der Arbeitskommandos konnte Binner Informationen sammeln. „Häufig findet man darauf Eintragungen über Fluchten“, so Binner. „Das war ihre häufigste Widerstandshandlung, die mit verschärften Arresten oder sogar mit dem Tod bestraft wurde.“
Mit seiner Arbeit will Binner Mut machen, auch mal die Perspektive zu wechseln. Dass er bei seinen Recherchen auf alte Personalkarten gestoßen ist, freut ihn dabei besonders: „So geben wir den Menschen endlich ein Gesicht.“