Die ZeitRäume in der Hofstelle

„ZeitRäume“ Bodenstedt

Gemeinde Vechelde

Das Gebäudeensemble Hauptstraße 10 in Bodenstedt ist ein 3-Seit-Hof einschließlich Gaststätte und Tanzsaal. Es besteht, weil die Bewohner sich ausnahmslos traditions- und geschichtsbewusst verhalten haben, aus Räumen mit komplett erhaltener Einrichtung unterschiedlicher Stilepochen, aus denen sich die Lebensbedingungen der damaligen Bevölkerung in Verbindung zu den geschichtlichen Zeitläuften von der Kaiserzeit bis in die frühen 70er Jahre vorigen Jahrunderts am Originalschauplatz des Geschehens anschaulich vermitteln lassen. Nachdem für das Wohnhaus ein Abrissantrag vorlag, hat die Gemeinde Vechelde sich auf dringende Bitte der Landes- und der Kreisdenkmalspflege entschlossen, das Ensemble zu kaufen und so vor dem Abriss zu bewahren.

Die Konzeption für das Projekt „ZeitRäume“ wurden von der Oberkonservatorin Cordula Reulecke vom Landesamt für Denkmalpflege und dem Facharchitekten Uwe Kleineberg in Abstimmung mit der Denkmalschutzbehörde des Landkreises Peine entwickelt. Das Gebäude präsentiert sich im überlieferten Originalzustand mit begehbaren „ZeitRäumen“. Die kulturhistorischen und politisch bedeutsamen Hintergründe, die zu dem Gebäude und seinem Mobiliar passen, werden auf Glasstelen beschrieben und vor allem an Hörstationen und mit Raumtonlautsprechern erlebbar gemacht. Bundesweite Beachtung findet die Nachnutzung des Tanzsaales in den 1940er und 1950er Jahren. Hier wurden während des Krieges Kriegsgefangene bzw. Zwangsarbeiter untergebracht.

Die gleichen Unterkünfte dienten dann nach Kriegsende zwangsausgesiedelten Heimatvertriebenen aus Schlesien. Die Unterkünfte sind im Original zu besichtigen. Zeitzeugen stehen für Berichte zur Verfügung.

 

Besondere geschichtliche Bezüge sollen in der ehemaligen Kegelbahn der Gaststätte dargestellt werden, und zwar unter anderem über das Leben der Frauen auf dem Lande im Spannungsfeld zwischen Familie, Kindererziehung, landwirtschaftlicher Hilfskraft, Gaststättenbetrieb und dem „Frausein“ mit Interessen in vielfältiger kultureller Hinsicht. Unter anderem eine Sammlung von Modezeitschriften über ein halbes Jahrhundert dokumentiert dazu einen besonderen Aspekt. Das Projekt „ZeitRäume“ bietet insbesondere auch für Schülerinnen und Schüler einen Lernort für hautnah erlebbaren Unterricht vor Ort. Im umgestalteten Pferdestall ist ein Seminarraum eingerichtet worden. Aber auch verschieden Märkte oder Feste sowie standesamtliche Trauungen passen gut in diese einzigartige Atmosphäre.

 

Stellungnahme der an der Planung beteiligten Personen: UweKleineberg / CordulaReulecke / ElkeSchlöder-Kassner / Dr.RainerSöntgen

 

ZeitRäume Bodenstedt - Gemeinde Vechelde Zwischenbericht des am Projekt beteiligten Konzeptteams zur Bedeutung der Hofstelle als überregional bedeutsames KulturExponat Zum bisherigen Stand der Ausarbeitung: Die Gemeinde Vechelde hat durch das Planungsbüro Kleineberg und Pohl in enger Zusammenarbeit mit dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege, Stützpunkt Braunschweig, im Jahr 2008 eine Machbarkeitsstudie zur kulturtouristischen Inwertsetzung der historischen Hofstelle Hauptstraße 10 im Ortsteil Bodenstedt erarbeiten lassen. Es entstand das Projekt „Begehbare ZeitRäume Bodenstedt“, das sich als geschichtlicher AktionsOrt versteht und ein innovatives, kulturhistorisches Präsentationsobjekt der deutschen Geschichte und hier der braunschweigischen Geschichte des ländlichen Raumes in der Zeit von 1850 bis 1950 darstellt. Für die inhaltliche Konzeptarbeit beauftragte die Gemeinde Vechelde die in Bonn ansässige Agentur ConCultura GmbH mit einer ersten Grundlagenforschung zur Geschichte des Hofes. Die Recherchen in verschiedenen Archiven der Region und die Auswertungen von Kirchenbüchern, durchgeführten Zeitzeugeninterviews sowie von Unterlagen und Fotoalben der Hoferben brachten spannende und einzigartige Geschichten ans Licht, die von der Hofstelle und ihren Bewohnern erzählen. Sie ergänzen die am Objekt erhobenen restauratorischen Befundermittlungen zu einem reichhaltigen und vielschichtigen Bilderbogen der jüngeren Geschichte im norddeutschen Raum. Im Rahmen des Projekts „ZeitRäume Bodenstedt“ können nunmehr mittels der gewonnenen Erkenntnisse die Lebenswelten und die Nutzungsgeschichte der ehemaligen Hofbewohner beginnend beim Neubau des Wohnhauses mit Saalanbau über den Wandel und Umbruch in der Zeit der 1930’er Jahre bis zur Kriegs- und Nachkriegszeit rekonstruiert und innerhalb historisch-authentischer Räumlichkeiten für ein breites Publikum erfahrbar gemacht werden. Die Nachforschungen brachten insbesondere für die Zeit zwischen 1900 bis 1960 detaillierte Informationen hervor. War bisher beispielsweise lediglich bekannt, dass zur Zeit des Zweiten Weltkrieges Zwangsarbeiter und nach 1945 Flüchtlinge aus Schlesien und den ostpreußischen Gebieten auf der Hofstelle lebten, lässt sich nun mit Sicherheit sagen, dass ab 1939 – dem Jahr des deutschen Überfalls auf Polen – der ehemalige Tanzsaal der Hofstelle als Unterbringungsort für bis zu 20 polnische Kriegsgefangene, die zur Zwangsarbeit eingesetzt wurden, diente. Sie wurden zu landwirtschaftlicher Arbeit auf den umliegenden Höfen verpflichtet. Im Tanzsaal erfolgte zu diesem Zweck der Einbau von drei kleinen Kammern für das Wachpersonal und eine Krankenstube. Die Gefangenen schliefen gemeinsam im größten Raum in hölzernen Etagenbetten. Verpflegung erhielten sie nicht auf der Hofstelle, sondern an ihrer jeweiligen Arbeitsstelle. Stellungnahme der an der Planung beteiligten Personen: UweKleineberg/CordulaReulecke/ElkeSchlöder-Kassner/Dr.RainerSöntgen Bis zum Kriegsende, das durch ein einzigartiges Filmexponat über den Durchzug der amerikanischen Truppen an der Hofstelle vorbei dokumentiert ist, blieb das Lager bestehen. Seit 1946 nutzte die Gemeinde das Erdgeschoss des Haupthauses sowie den Tanzsaal, um Flüchtlinge und Vertriebene einzuquartieren. Eine der Familien richtete sich im Tanzsaal einen notdürftig abgetrennten Kochbereich ein, der noch heute unverändert erhalten ist und von der Lebenssituation der Nachkriegszeit zeugt. Zur Bedeutung und Bewertung der gewonnen Erkenntnisse: Die Erinnerungskultur selbst ist inzwischen ein bedeutender Bestandteil des politischen Lebens und des historischen Bewusstseins in Deutschland geworden. In den Medien, zeitgeschichtlichen Publikationen, Museen und Gedenkstätten wird umfassende Aufklärungsarbeit geleistet, die vielfach Modellcharakter für andere Länder hat. Bislang lag der Schwerpunkt dieser Aufarbeitung in namhaften und bekannten Stätten. Die Alltagswelt und das tägliche Geschehen im weniger beachteten ländlichen Raum blieben bislang von nachrangigem Interesse und weitestgehend verborgen. Die Hofstelle in dem Dorf Bodenstedt besitzt jedoch mit den bis heute erhaltenen Unterbringungsräumen und Ausstattungsgegenständen von Zwangsarbeitern und Vertriebenen in einem privaten Haushalt im ländlichen braunschweigischen Raum eine Zeugnis- und Seltenheitswert von landesweiter Bedeutung. So ist es genau dieser originale Erhaltungszustand in Verbindung mit den überlieferten Ausstattungsgegenständen und den Geschichten ihrer Bewohner, der die Hofstelle als historisch authentisches Großexponats der jüngeren deutschen Geschichte über die Regionalgrenzen hinaus wichtig, wertvoll und unverzichtbar macht. Zu Recht kann und muss daher dieser originale Sachbestand der Hofstelle als Alleinstellungsmerkmal herausgestellt werden. Die dauerhafte Erhaltung und didaktische Präsentation im kulturhistorischen Kontext mit bereits bestehenden Einrichtungen zu dieser Thematik sowie als deren inhaltliche Ergänzung sollte als deutlicher Bildungsauftrag an und für die Region verstanden und umgesetzt werden. Gerade die besondere Verpflichtung zur Vermittlung der jüngeren deutschen Geschichte als steter Gegenpol zu immer wieder aufkeimenden Verharmlosungen - und hier insbesondere auch die Aufarbeitung und Darstellung der anonymen Alltagsgeschichte - lässt dieses Projekt zu einem wesentlichen und wichtigen Baustein der Erinnerungskultur und des historischen Bewusstseins in Deutschland werden. Die „ZeitRäume Bodenstedt“ werden einen landesweit, wenn nicht sogar bundesweit bedeutenden Beitrag leisten, den nachfolgenden Generationen dieses Zeitgeschehen an originalen Handlungsorten mit originalen Exponaten be-greif-bar zu vermitteln.

Aufbau und ….

1877 Bau des Haupthauses mit Gastraum und Wohnung durch Heinrich SEGGELKE

 

1878 Abriss der bestehenden Kegelbahn und Errichtung eines Anbaus mit Pferdestall und Kegelbahn im Unter- und Tanzsaal im Obergeschoss durch Heinrich SEGGELKE.

 

1882 Abriss des alten Stallgebäudes; Neubau des Stalles und Erweiterung der Scheune durch Heinrich SEGGELKE. Es entsteht die dreiseitig geschlossene, zur Strasse hin offene Hofanlage.

… Veränderung

1903 Heinrich SEGGELKE lässt das Kegelhaus als Waschküche herrichten. Dazu werden ein beheizbarer Waschkessel und ein Herd in den Raum gesetzt.

 

1910 Nach dem Tod ihres Mannes Heinrich baut die Witwe Dorothea SEGGELKE den Bereich der Küche der Gastwirtschaft um und fasst mehrere Räume zusammen.

 

1914 wird Bodenstedt an das überregionale Stromnetz angeschlossen.

 

1920 Einbau von farbigen bleigefassten Fenstern im Erdgeschoss rechts und links der Eingangstür. Auch das Oberlicht wird so mit den bestehenden Elementen der Initialien von Heinrich und Dorothea SEGGELKE und dem Baudatum (gleich Hochzeitsdatum) neu gestaltet.

Anfang der 1930er Jahre wird das Anwesen an das Wasserleitungsnetz angeschlossen. Die bis dato genutzte Pumpe im Hof wird abgebaut.

 

1934 Otto und Agnes MEIER schließen die Gastwirtschaft und gestalten den Gastraum zu einem repräsentativen Wohnraum um. Auch der Küchenbereich und der Ausschank werden umgebaut. Einbau einer Tür vom ehemaligen Gastraum zum ehemaligen Küchenbereich. Die Küche wird in das Kegelhaus der Kegelbahn verlegt.

 

1958 lassen die Familien MEIER / PAES das Haupthaus neu eindecken.

Kreisheimatbund Peine
Kreisheimatbund Peine